Übersättigt, überschärft - Markenzeichen der Anfänger?

Wieder ein Post über Facebookgruppen.
Ich passe mich der Realität an und die findet für viele Fotografen, und grade Anfäger, in eben diesen Gruppen statt.

Als ich 2010 mit dem Fotografieren anfing und meine erste Spiegelreflexkamera hatte, war der nächste Schritt, mich in Bildbearbeitungsprogramme einzuarbeiten.
Photoshop kostete damals über tausend Euro und war für mich außerhalb jeder Reichweite.
Außerdem war ich überzeugter Linux-User, also ohnehin an entsprechende Software (Gimp&Shotwell) gebunden.

Als ich mein erstes Stativ (29 Euro, großer Elektromarkt) hatte, war der Damm zur HDR-Fotografie gebrochen und damit auch endgültig zu völlig übertriebenen Bearbeitungen.
Ich fand es unglaublich, "oooh die Farben!!"
Etwas, wie das, was mir mein 15" Laptop-Display da zeigt, hatte ich noch nie gesehen.
Halos, ausgebrannte Stellen, Bildrauschen, Augenkrebs-Risiko - habe ich entweder nicht gesehen, oder es war mir egal.
Jedes Foto - egal wie nichtssagend - konnte plötzlich "geil" sein, "mein Stil", dachte ich.
Fotos einfach als HDR bearbeiten und die Sättigung hoch.

Ganz hoch.

Für den Kram wurde ich von Freunden & Familie gelobt.

Von anderen nicht so.

Ich war nach ein paar Wochen wieder raus aus dieser "Phase" - eine Freundin sprach mich an, ob ich ihr nicht eines meiner Bilder auf Leinwand drucken könnte für ihre Wohnung.

"Klar, welches willst du denn?"

"Das eine, mit den kräftigen Farben, mit der Brücke"

Sie suchte es aus einem meiner FB-Alben heraus - ich hatte schon vergessen (verdrängt), dass dieses Bild von mir war.
Da war alles auf Maximum und ich fragte sie, ob sie da sicher sei.

Sie wollte das unbedingt haben.

Seit einigen Jahren hängt es in ihrem Wohnzimmer, jedes Mal, wenn ich dort bin, würde ich es am liebsten von der Wand reißen und verbrennen.

Auch wenn es zu Anfang beeindruckend ist, was mit digitaler Bildbearbeitung geht, vergesst nicht, was ihr *eigentlich* zeigen wollt.
Auch wenn ihr damit vielleicht an einigen Stellen hunderte Likes kassiert - die kommen von anderen Anfängern, die genauso von der Sättigung und den Möglichkeiten geblendet werden wie ihr.
Da hilft es auch nicht sich da mit "meinem Style" oder gar "Kunstverständnis" rauszureden.

Es sieht Scheiße aus.

Richtig Scheiße.

Die gute Nachricht ist:
Ihr kommt da wieder raus.
Wenn ihr weiter an der Fotografie bleibt, immer dazu lernt, Kritikern eine Chance gebt und euch auch persönlich weiterentwickelt, wird alles gut.
Auch wenn ihr jetzt von meinem Text beleidigt seid.

Been there, done that.

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Joachim Lehmann