Über Fotografie

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Die Fotografie hat mein Leben völlig verändert.

Aber warum?

Letztlich läuft man doch bloß mit einem schweren Klotz um den Hals in der Gegend herum
und macht Klick-Klick.

Rein technisch gesehen kann man das auch darauf reduzieren.
Nur gehen beim Reduzieren unweigerlich Dinge verloren.
In diesem Falle essenzielle Dinge.

Und dabei geht es mir nichtmal um Bildgestaltung, Komposition oder darum wie spektakulär das Motiv ist.

Wenn ich den Sucher an mein Auge setze, werden alle Alltagsprobleme wie Arbeit oder Beziehungen in einem einzigen "Problemposten" gebündelt und im Bruchteil einer Sekunde,
nämlich genau in dem Bruchteil in dem ich ein Bild so bekomme wie ich es haben möchte, für einen kurzen Moment gelöst.

In gewisser Weise könnte man das mit einer Drogensucht vergleichen;

  1. Es macht süchtig
  2. Es lenkt von Problemen ab
  3. Man nimmt Freunde und Familie in Anspruch
  4. Es kostet Geld

Was die Sache von einer Drogensucht aber wesentlich unterscheidet ist die Tatsache, dass man andere Menschen damit erfreuen und faszinieren kann,
man kann sich verständlich machen, Dinge in einer Art und Weise zeigen in der man sonst nicht verstanden würde.
Es heißt nicht umsonst, dass ein ein Bild mehr sagt als tausend Worte.

Mir ist auch aufgefallen, dass ich die Welt ganz anders sehe, auch wenn ich gar keine Kamera dabei habe.

Wo ich früher "nichts" gesehen habe, sehe ich heute eine kleine Blume mit Wassertröpfchen auf
der Blüte, die Sonne wie sie sich über ein Waldstück erhebt, eine Wolke die aussieht wie eine
Springmaus, eine Spiegelung in einer Pfütze oder eine Bahnstation die klar macht wie sehr wir dem Trott des Alltags unterliegen.

Ich habe den Eindruck, dass man weniger Bilder macht, je erfahrener man wird.
Fängt man mit der Fotografie an, wird alles Mögliche abgelichtet - ob mit Aussage oder ohne, um dann zuhause wieder aussortiert zu werden.
Von den 200 Bildern schaffen es dann vielleicht zwei oder drei in die engere Wahl und doch fragt man sich sechs Monate später was man sich dabei nur gedacht hat.
Ich denke aber, dass das ein unverzichtbarer Teil der eigenen Entwicklung ist, man verliert schnell die Lust hunderte Bilder löschen zu müssen und achtet langsam aber sicher darauf das "richtige" Bild zu machen.

Die Ansprüche an das eigene Schaffen steigen einfach - es reicht irgendwann nicht mehr
einfach ein Bild einer "schönen Blume" zu machen - man möchte den Betrachter damit faszinieren, ihn dazu bringen das Bild länger zu betrachten und ihn für das eigentlich unscheinbare am Straßenrand begeistern.

Um das zu erreichen stelle ich mir vor dem Auslösen einige Fragen:

Was fühle ich?

  • Freue ich mich über die Schönheit? Versetzt mich die Szenerie in Aufbruchstimmung? Oder deprimiert mich das Motiv vielleicht?

Warum fühle ich?

  • Was ist es am Motiv, dass diese Stimmung in mir verursacht? Ist es die Weite, die filigranen Blütenblätter oder ist es die Hoffnungslosigkeit die von dem heruntergekommen Gebäude ausgeht?

Was ist das Bild?

  • Wenn ich diese Fragen beantwortet habe, ist es Zeit sich zu überlegen was das Bild denn nun ist. Was gehört dazu, was nicht und was lenkt davon vielleicht ab?

Was ist am Bild?

  • Ich weiß nun was ich fühle, warum ich so fühle und was zum Bild gehört. Ziel ist es nun diese Informationen zu bündeln und genau das was das Bild ausmacht mit der richtigen Perspektive und Einstellungen an der Kamera kompromisslos herauszuarbeiten.

Das Bild machen!

  • Jetzt braucht man im Grunde nur noch auszulösen, manchmal braucht es aber einige Versuche alles so einzufangen wie man es haben möchte.

Diese "Technik" ist meine Interpretation dessen was man in vielen Büchern und Websites liest, man kann sie natürlich mit jeder Kamera anwenden.
Die technische Seite tritt hier etwas in den Hintergrund. Das liegt in der Natur der Sache - es geht nicht um Technik, es geht um Stimmungen und Gefühle. Die Technik ist nur Mittel zum Zwecke.

Man braucht etwas Übung um diese Punkte richtig "abzuarbeiten" ich arbeite da auch noch viel an mir.

IMHO, FotografieJoachim Lehmann